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Holm Singer ist IM „Schubert“ (Weddinger Landbote vom 23. April 2008 - Meinungen)
oder was heißt eigentlich Aufarbeitung
Die einstweilige Verfügung gegen Pfarrer Käbisch ist hinfällig. Der Klarname von IM „Schubert“ darf genannt werden. Das Landgericht Zwickau hat entschieden. Eine Entscheidung hat es allerdings nicht gegeben. Die Richterin hat einen Weg gefunden, die erwartete Grundsatzentscheidung nicht treffen zu müssen. Schade. Aber das ist schnell gesagt, wenn man nicht in Zwickau leben muss. Dabei ist der Name längst kein Geheimnis mehr. Ohne große Mühe lässt er sich im Internet finden. Trotzdem schleichen alle Tageszeitungen, die über den Fall berichten wie die Katze um den heißen Brei. Nur in einem Kommentar der taz war er zu finden. Auch das ist Schade. Es muss ja nicht die Schlagzeile bei „Bild“ sein. Soll es gar nicht. Aber ein bisschen mehr Mut hatte ich schon erwartet. Wahrscheinlich bin ich naiv. Erwartet hatte ich eigentlich auch, dass es, auch nach den beiden Fällen bei der „Berliner Zeitung“ zu einer Debatte kommt, aber das „Große Deutsche Feuilleton“ hüllt sich mal wieder vornehm in Schweigen und berichtet heute lieber über Eliten und Kochbücher.
Ein kleiner Stasispitzel ist ihnen wahrscheinlich nicht wichtig genug. Auch gut. Für mich allerdings ist es wichtig. Seit fünf Jahren weiß ich, wer mich bespitzelt hat. Seit fünf Jahren frage ich mich, wie ich damit umgehen soll. Eine Antwort darauf habe ich immer noch nicht gefunden.
Die Opfer von Holm Singer haben am 8. April einen offenen Brief an ihren ehemaligen Spitzel ins Netz gestellt, der von den Journalisten nicht beachtet wurde. Was natürlich niemanden verwundern wird, schade ist es trotzdem, denn er enthält eine Aufforderung zum Dialog.
Ich weiß nicht, ob ich mich auf die Suche nach IM „Frank Richter“, „Vivien“ oder IMB „Karl Hofer“ oder wie sie alle hießen, machen soll. Ich weiß auch nicht, ob ich mich mit dem ehemaligen Oberleutnant Lymann, der meine Akte geführt hat, unterhalten kann. Vielleicht sollte ich. Die Wahrheit ist, dass ich keine Lust auf die Lüge von einer späte Reue eines verführten Jugendlichen habe, der damals an eine gute Sache geglaubt hat.
Über die Gründe, weshalb sich eine Viertel Millionen Menschen von der Stasi einspannen ließen, wird bis heute nur spekuliert. Dabei wäre es wichtig über „Karriere und Anpassung“ zu reden. Es wäre wichtig zu erfahren, wie verführbar der Mensch ist. Es sind nicht nur die Opfer, die wertvolle Informationen liefern können. In einer Diktatur gibt es nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Um die Mechanismen zu verstehen, ist es genauso wichtig die Psyche der Täter zu verstehen, wie das Leid der Opfer zu kennen. Nur wenn wir begreifen, dass Stasispitzel ganz normale Menschen waren, werden wir erkennen, wie leicht sich ein solches System wieder etablieren lässt.
Uwe Karlstedt, ein ehemaliger Stasioffizier hat sich im Kommentar zu meiner Rezension über den Film „12 heißt: Ich liebe dich“ geäußert. Er geht offensichtlich offensiv mit seiner Vergangenheit um. Er versucht nicht, sich im Nachhinein als Opfer zu stilisieren. Das finde ich sehr mutig. Ob ich mich selbst dieser schmerzhaften Auseinandersetzung aussetzen will, weiß ich nicht.
Die Frage ist, kann man das von jedem erwarten? Kann man verlangen, dass 100 000 ehemalige Stasispitzel und 90 000 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi den Mut aufbringen sich zu bekennen? Das wäre zwar wünschenswert, ist aber utopisch. Aber wenigstens einige sollten begreifen, dass es nicht darum geht, sie an den Pranger zu stellen; dass es nicht darum geht, einen gesellschaftlichen Sündenbock zu finden. Auch viele die nicht bei der Stasi waren, haben sich schuldig gemacht. Personalleiter, Gewerkschafter, Künstler, Lehrer, Wissenschaftler, Polizisten – die Mehrheit lief mit, und will wie immer nichts gewusst haben oder ist schon immer dagegen gewesen. Bis auf ein paar Ausnahmen: Helden waren wir alle nicht.
Auch die Rolle der Mitläufer muss aufgearbeitet werden. Aufarbeiten heißt nicht anklagen.
Ich bin wahrscheinlich nicht edel genug, meinen Spitzeln zu verzeihen. Aber ich bin auch nach fast zwanzig Jahren immer noch sprachlos genug, um verstehen zu wollen. Das geht nur, wenn sich Täter bekennen und sich nicht hinter juristischen Schattenspielchen verstecken und Opfer sich nicht länger hinter ihrer Opferrolle verstecken.
Nachtrag:
In Halle haben ehemalige Stasimitarbeiter jetzt auch geklagt. Die Ausstellungsmacher wollen es auf eine Klage ankommen lassen. Vielleicht wird dann das Problem auch juristisch geklärt.
Die einstweilige Verfügung gegen Pfarrer Käbisch ist hinfällig. Der Klarname von IM „Schubert“ darf genannt werden. Das Landgericht Zwickau hat entschieden. Eine Entscheidung hat es allerdings nicht gegeben. Die Richterin hat einen Weg gefunden, die erwartete Grundsatzentscheidung nicht treffen zu müssen. Schade. Aber das ist schnell gesagt, wenn man nicht in Zwickau leben muss. Dabei ist der Name längst kein Geheimnis mehr. Ohne große Mühe lässt er sich im Internet finden. Trotzdem schleichen alle Tageszeitungen, die über den Fall berichten wie die Katze um den heißen Brei. Nur in einem Kommentar der taz war er zu finden. Auch das ist Schade. Es muss ja nicht die Schlagzeile bei „Bild“ sein. Soll es gar nicht. Aber ein bisschen mehr Mut hatte ich schon erwartet. Wahrscheinlich bin ich naiv. Erwartet hatte ich eigentlich auch, dass es, auch nach den beiden Fällen bei der „Berliner Zeitung“ zu einer Debatte kommt, aber das „Große Deutsche Feuilleton“ hüllt sich mal wieder vornehm in Schweigen und berichtet heute lieber über Eliten und Kochbücher.
Ein kleiner Stasispitzel ist ihnen wahrscheinlich nicht wichtig genug. Auch gut. Für mich allerdings ist es wichtig. Seit fünf Jahren weiß ich, wer mich bespitzelt hat. Seit fünf Jahren frage ich mich, wie ich damit umgehen soll. Eine Antwort darauf habe ich immer noch nicht gefunden.
Die Opfer von Holm Singer haben am 8. April einen offenen Brief an ihren ehemaligen Spitzel ins Netz gestellt, der von den Journalisten nicht beachtet wurde. Was natürlich niemanden verwundern wird, schade ist es trotzdem, denn er enthält eine Aufforderung zum Dialog.
Ich weiß nicht, ob ich mich auf die Suche nach IM „Frank Richter“, „Vivien“ oder IMB „Karl Hofer“ oder wie sie alle hießen, machen soll. Ich weiß auch nicht, ob ich mich mit dem ehemaligen Oberleutnant Lymann, der meine Akte geführt hat, unterhalten kann. Vielleicht sollte ich. Die Wahrheit ist, dass ich keine Lust auf die Lüge von einer späte Reue eines verführten Jugendlichen habe, der damals an eine gute Sache geglaubt hat.
Über die Gründe, weshalb sich eine Viertel Millionen Menschen von der Stasi einspannen ließen, wird bis heute nur spekuliert. Dabei wäre es wichtig über „Karriere und Anpassung“ zu reden. Es wäre wichtig zu erfahren, wie verführbar der Mensch ist. Es sind nicht nur die Opfer, die wertvolle Informationen liefern können. In einer Diktatur gibt es nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Um die Mechanismen zu verstehen, ist es genauso wichtig die Psyche der Täter zu verstehen, wie das Leid der Opfer zu kennen. Nur wenn wir begreifen, dass Stasispitzel ganz normale Menschen waren, werden wir erkennen, wie leicht sich ein solches System wieder etablieren lässt.
Uwe Karlstedt, ein ehemaliger Stasioffizier hat sich im Kommentar zu meiner Rezension über den Film „12 heißt: Ich liebe dich“ geäußert. Er geht offensichtlich offensiv mit seiner Vergangenheit um. Er versucht nicht, sich im Nachhinein als Opfer zu stilisieren. Das finde ich sehr mutig. Ob ich mich selbst dieser schmerzhaften Auseinandersetzung aussetzen will, weiß ich nicht.
Die Frage ist, kann man das von jedem erwarten? Kann man verlangen, dass 100 000 ehemalige Stasispitzel und 90 000 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi den Mut aufbringen sich zu bekennen? Das wäre zwar wünschenswert, ist aber utopisch. Aber wenigstens einige sollten begreifen, dass es nicht darum geht, sie an den Pranger zu stellen; dass es nicht darum geht, einen gesellschaftlichen Sündenbock zu finden. Auch viele die nicht bei der Stasi waren, haben sich schuldig gemacht. Personalleiter, Gewerkschafter, Künstler, Lehrer, Wissenschaftler, Polizisten – die Mehrheit lief mit, und will wie immer nichts gewusst haben oder ist schon immer dagegen gewesen. Bis auf ein paar Ausnahmen: Helden waren wir alle nicht.
Auch die Rolle der Mitläufer muss aufgearbeitet werden. Aufarbeiten heißt nicht anklagen.
Ich bin wahrscheinlich nicht edel genug, meinen Spitzeln zu verzeihen. Aber ich bin auch nach fast zwanzig Jahren immer noch sprachlos genug, um verstehen zu wollen. Das geht nur, wenn sich Täter bekennen und sich nicht hinter juristischen Schattenspielchen verstecken und Opfer sich nicht länger hinter ihrer Opferrolle verstecken.
Nachtrag:
In Halle haben ehemalige Stasimitarbeiter jetzt auch geklagt. Die Ausstellungsmacher wollen es auf eine Klage ankommen lassen. Vielleicht wird dann das Problem auch juristisch geklärt.