Aktuelles

2009-03-06

„Es gibt nicht nur schwarze und weiße Westen“ (Sächsische Zeitung - Kamenz)

Gespräch: Frank Oehl

Superintendent Wolfgang Müller weist Pauschalkritik von Maik Förster an der Stasi-Aufarbeitung in der Kamenzer Kirche zurück.

Herr Müller, im SZ-Bericht vom Montag über die Eröffnung der beiden Ausstellungen des Christlichen Vereins in Oberlichtenau finden sich Anschuldigungen gegen die Superintendentur in Kamenz. Was sagen Sie dazu?

Das kann so nicht stehen bleiben. Wenn Maik Förster behauptet, dass er in seiner Stasiakte einen Mitarbeiter der Superintendentur erkannt hat und dann noch feststellt, dass von der Kirche aus keine Bereitschaft besteht, dieses Kapitel aufzuarbeiten, um schließlich zu sagen: ‚Das ist unglaublich.‘ – so ist diese Anschuldigung unglaublich.

Vielleicht meint er konkrete Personen, ohne sie zu nennen?

Das ist es ja. Eine Superintendentur besteht aus zwei Mitarbeitern: dem Superintendenten und der Ephoralsekretärin. Also, wen von beiden will Maik Förster in seiner Stasiakte erkannt haben? Beides ist absurd! Es wird so getan, als gäbe es noch jede Menge aufzuarbeiten. Dabei ist bekannt, dass nach der Wende alle hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter überprüft wurden, ja sogar die Kirchvorsteherinnen und Kirchvorsteher haben sich überprüfen lassen. Das ist alles ausgewertet und wo es nötig war, wurden auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen.

Meinen Sie, dass die Aufklärung abgeschlossen ist?


Ich will nicht missverstanden werden: Ich bin dafür, dass die verbrecherischen Strukturen einer Stasi-Überwachung offen gelegt werden und dass damit gezeigt wird, wie Diktaturen funktionieren, um vor solchen Entwicklungen ein für allemal zu warnen. Aber dabei gilt es genau hinzusehen. In der Regel gibt es weder die rein weiße noch die nur schwarze Weste.

Das reklamieren Sie ausdrücklich auch für kirchliche Würdenträger ein?

Das betrifft jeden. Auch unter den kirchlichen Mitarbeitern gab es welche, die sich von Stasi-Machenschaften haben missbrauchen lassen, aber wir wollen auch nicht vergessen, dass kirchliche Mitarbeiter sehr häufig zu denen gehörten, die sich mit ihrem Glauben dem DDR-System entgegengestellt haben. Maik Förster zum Beispiel gehörte zu jenen jungen Christen, die sich in der kirchlichen Jugendarbeit besonders und unerschrocken engagiert haben, was seine Stasi-Akte beweist. Das ist ihm auch hoch anzurechnen.

Womöglich ist er ganz allgemein unzufrieden mit dem Stand der Aufklärung?

Das mag sein. Wir wissen aber heute auch, wie vorsichtig mit solcherlei Akten umzugehen ist, weil sie nicht nur immer die reine Wahrheit wiedergeben. Auch aus diesen Gründen entsprechen die im letzten Absatz des Artikels vom 2. März geäußerten Vorwürfe einfach nicht der Realität.