Aktuelles

2009-03-08

Offener Brief von Dr. Käbisch an Sup. Müller

Dr. Edmund Käbisch
Dompfarrer i. R.

Hölderlinstr. 8
08056 Zwickau
Tel.: 0375 / 2 04 05 65
Fax : 0721 / 1 51 25 16 34
E-Mail: info@dr-kaebisch.de

Superintendent
Wolfgang Müller
Kirchstr. 20
01917 Kamenz


Offener Brief

Lieber Bruder Müller,

in der Sächsischen Zeitung vom 6. März 2009 habe ich mit großem Interesse Ihr Interview mit Frank Oehl gelesen. Es freut mich, dass Sie auf diese Weise einen öffentlichen Dialog anregen, an dem ich mich mit diesem offenen Brief gern beteilige. Wir sind uns zweifellos einig darin, dass die Kirchengeschichte der DDR und insbesondere die Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit mit größtmöglicher Sorgfalt, aber auch mit der größtmöglichen Offenheit thematisiert werden muss. Daher sehe ich mich veranlasst, zwei Richtstellungen vorzunehmen:

1.„Anschuldigung unglaublich“: Die Ausstellung wurde am 27. Februar 2009 in Oberlichtenau eröffnet und dazu wurde über die Medien eingeladen. Bis auf einen Pfarrer im Ruhestand, mit dem ich ein Gespräch führen konnte, ist niemand aus der Pfarrerschaft erschienen. Für mich ist diese Beteiligung symptomatisch für das fehlende Interesse, das innerhalb unserer Landeskirche diesem schwierigen Thema entgegengebracht wird. Auch Sie scheinen zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht die Ausstellung angesehen zu haben, da Sie in der Dokumentation von Maik Förster den richtigen Namen des IM „Kirchberg“ hätten lesen können. In diesem Zusammenhang hätten Sie nachvollziehbar sehen können, dass es sich nicht um eine ‚unglaubliche Anschuldigung‘, sondern um eine hinreichend belegte Aussage handelt.

2.Überprüfung aller „hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter“: Die Überprüfung aller hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter, auf die sie anspielen und die Anfang der 1990er Jahre stattfand, war freiwillig. Ungefähr 10% der kirchlichen Mitarbeiter sollen sich damals der Überprüfung entzogen haben. Das Ergebnis des Stasi-Bewertungsausschuss zur sächsischen Landessynode, der vom 17. bis 21. November 1995 Rechenschaft über seine Überprüfung abgelegt hat, kann damit nicht als hinreichend bezeichnet werden, zumal in dieser Zeit weit weniger Akten des Ministeriums für Staatssicherheit zugänglich waren als heute. Weiterhin hat sich durch Recherchen herausgestellt, dass auch vielfach Verrat und Verletzung der Pfarrerpflichten ohne IM-Verpflichtung geschahen. Dieses hat der evangelischen Kirche langfristigen Schaden zugeführt.

Am 27. März 2009 wird die Ausstellung in Oberlichtenau mit einer Finissage, die um 20 Uhr beginnt, zu Ende gehen. Dazu werde ich einen Vortrag mit dem Thema „Mein Pfarreralltag in der DDR“ halten. Im Jahr 1963 brach ich als Jugendlicher aus der Ephorie Kamenz zum Theologiestudium auf, und 2009 kehre ich als Ruheständler mit einer Ausstellung an die Stätte meiner Kindheit und Jugend zurück, so dass für mich persönlich der Vortrag in meiner Heimatregion eine hohe Symbolbedeutung hat. Als Zeitzeuge werde ich versuchen, von meiner Arbeit innerhalb der Kirche zu berichten. Anschließend ist eine Gesprächsrunde geplant, die sich auch auf die Ausstellung beziehen soll.

Ich denke, dieser Abend wäre eine gute Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und dieses Kapitel der Vergangenheit aufzuarbeiten. Daher möchte ich Sie dazu herzlich einladen


Mit freundlichen Grüßen und Schalom

Käbisch