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2009-03-30

Leben im Netz der Staatssicherheit: Vergeben und vergessen? (Sächsische Zeitung - Lausitz)

Leben im Netz der Staatssicherheit: Vergeben und vergessen? (Sächsische Zeitung - Lausitz) Von Irmela Hennig

In einer Wanderausstellung zeigt Pfarrer Edmund Käbisch, wie die Stasi ihn überwachte. Ein Lausitzer hat die Schau um sein eigenes Schicksal ergänzt.

Edmund Käbisch (l.) aus Zwickau zeigt in einer Wanderausstellung die Machenschaften der Stasi innerhalb der Kirche. In Oberlichtenau ergänzte Maik Förster um das Thema „Kirche und Stasi in der Lausitz“. Foto: W. Wittchen

An die 90 inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit haben Edmund Käbisch bis zur Wende überwacht. Von 65 kennt der ehemalige Zwickauer Pfarrer, der in Kamenz aufwuchs, die Namen. Und er nennt sie.

Seit einiger Zeit ist er mit einer Wanderausstellung in Deutschland unterwegs. Bis Freitag war sie in Oberlichtenau bei Pulsnitz zu sehen. Auf Schautafeln zeigt der 65-Jährige, wie Kirche und Pfarrer von der Stasi überwacht, manipuliert, bedroht wurden. Und erzählt dabei immer wieder aus seinem Leben. Denn als Dompfarrer, der sich um Alkoholkranke, Strafgefangene und Haftentlassene kümmerte, der Gottesdienste für Ausreisewillige hielt, war er der SED-Führung erst suspekt, später Staatsfeind.

Rummel um „IM Schubert“

Bei seinen Vorträgen und auf den Tafeln nennt er die für ihn zuständigen IMs beim Klarnamen. Das bescherte ihm im vergangenen Jahr viel Ärger. Ein ehemaliger Stasispitzel unter dem Decknamen „IM Schubert“, wehrte sich gerichtlich. Es gab viel Medienrummel. Ein erstes Gerichtsurteil erlaubte die Namensnennung. Mittlerweile hat „IM Schubert“ aufgegeben.

Das Schlimmste für Edmund Käbisch ist, dass er von Seiten der Evangelischen Kirche, seines Arbeitgebers also, kaum Rückendeckung erhielt und dass die Kirche, so meint der Pfarrer im Ruhestand, teilweise sogar mit der Stasi zusammenarbeitete, „um das gute Staat-Kirchen-Verhältnis nicht zu gefährden“, sagte ihm einmal ein Bischof. Als er in den 1990ern begann, die Stasi-Kirchengeschichte zu erforschen, brachte ihm das eine Rüge wegen Dienstpflichtverletzung.

Viele Stasi-Pfarrer in Görlitz

Das Käbischs Schicksal kein Einzelfall ist, zeigt der Oberlichtenauer Maik Förster in einer Zusatzausstellung. Eine Liste der Hilfsaktion Märtyrerkirche nennt dort Kirchenleute, die als inoffizielle Mitarbeiter tätig waren, beim Namen.

Im Papier stehen viele Görlitzer Pfarrer, darunter ein Bischof und ein Superintendent. Außerdem ein Kirchenjournalist aus Hoyerswerda. Auch über sein eigenes Leben berichtet Maik Försters Ausstellung. Mit anderen Christen hatte er ab 1986 eine offene „Teekeller“-Arbeit für Jugendliche aufgebaut. Schnell wurde Förster überwacht. 1000 Seiten dick ist seine Stasiakte, die er in der Ausstellung ausgelegt hat. Bis zu 21 IMs waren auf ihn angesetzt. Darunter ein Pfarrer aus dem Kamenzer Raum. Als dessen Stasi-Mitarbeit bekannt wurde, erhängte er sich im Glockenturm seiner Kirche. Maik Förster spürt keine Genugtuung. „Ich hätte ihm gern vergeben.“

Auch Förster hat erlebt, dass „Kirche über dieses Kapitel lieber schweigt“. Seine Bitten um Gespräche blieben bisher ungehört. In und um Oberlichtenau ist der offene Umgang mit dem Thema umstritten. Manch einer meint, man solle „vergeben und vergessen“.

Die Ausstellung über den Teekeller in Oberlichtenau und die Stasi ist nach Anmeldung zu sehen: 035955/45888. Näheres unter

Foto: W. Wittchen (SZ)

www.stasi-akte.de