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2009-02-17

Vom Leben unter ständiger Beobachtung (Sächsische Zeitung Lokalausgabe Kamenz)

Vom Leben unter ständiger Beobachtung (Sächsische Zeitung Lokalausgabe Kamenz) Dienstag, 17. Februar 2009
Von Carolin Barth

Manche hielten es aus und ließen sich nicht einschüchtern. Im Nationalsozialismus und in der DDR gab es engagierte Christen, die ihr Leben trotz Bespitzelung und Beobachtung nach der Bibel ausrichteten. Sie gründeten Arbeitskreise für den Umweltschutz, engagierten sich in der Friedens- und Amnestiebewegung, boten Platz für die, die anders waren und anders dachten. Oft im Verborgenen. „Die Bibel in den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts ist keine gewöhnliche Bibelausstellung. Wir zeigen, wie Christen ihr Leben in diesen Diktaturen nach der Bibel ausrichteten, wie der Inhalt Menschen veränderte und damit Geschichte machte“, sagt der Initiator und Pfarrer ihm Ruhestand Dr. Edmund Käbisch aus Zwickau. „Wer bewusst so lebte, wurde verfolgt.“

Widerständler vorgestellt

Nach der Bibel leben hieß Zivilcourage und Menschlichkeit zeigen und sich zum Glaube zu bekennen. Auf 40 Schautafeln werden solche Menschen aus verschiedenen Regionen ab 27. Februar im Jugendzentrum Westlausitz vorgestellt. Ihre Schicksale wurden von einem Arbeitskreis in Stadt- und Kirchenarchiven oder bei der Gauck-Behörde recherchiert. So geht es um einen Pfarrer, der fünf behinderte Menschen vor dem Gastod rettete, um einem Christen, der die Ökoarbeit in seiner Gemeinde einführte oder um Edmund Käbisch, der sich als Pfarrer sozial einsetzte und unter dem Dach seiner Kirche Unterschlupf für alternative Ideen bot. Brisant ist die Ausstellung, aufrüttelnd und aufklärend. Sie lässt nichts aus, auch nicht die Namen der Stasispitzel, die sich in den Alltag der Gläubigen schlichen.

Oberlichtenau ist die 45. Station der Wanderausstellung, zehntausende Besucher haben sie schon gesehen. Integriert ist auch die Dokumentation „Christliches Handeln in der DDR“, die bundesweit durch den Fall Holm Singer bekannt wurde. Als ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter wollte er die Ausstellung in Reichenbach gerichtlich verbieten lassen. Die Dokumentation fertigten Zwickauer Schüler an. Sie zeigt, wie Menschen in der DDR-Zeit von der Bibel inspiriert wurden und Widerstand leisteten. Sie berichtet von kirchlichen Basisgruppen, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzten. Und sie macht deutlich, wie die friedliche Revolution 1989 von hier aus möglich wurde.

Die Stasi war immer dabei

Der Chef des Bibelgartens Maik Förster holte die Ausstellung im zwanzigsten Jahr nach dem Mauerfall ins Jugendzentrum Westlausitz. Vor allem jetzt sei die Anfrage riesig, sagt Edmund Käbisch. Für 2009 ist sie bereits ausgebucht. Nach Oberlichtenau kommt sie nicht nur wegen des Jubiläums, sondern auch, weil es genau hier solch engagierte Menschen gab, um die sich die Ausstellung dreht. Ab 1983 trafen sich junge Gemeindemitglieder im schäbigen Keller unter der Pfarrscheune. Sie tauften ihn Teekeller. Hier tranken sie Tee statt Bier, diskutierten über Gott und die Welt und schmuggelten Bibeln nach Rumänien. Dort waren sie verboten. Allein Maik Förster wurde bis 1989 von 20 IM bespitzelt, die Stasi war bei jedem Treffen dabei. „In der Ausstellung „Vom Teekeller bis zum Jugendzentrum“ berichten wir aus der Zeit, ich werde Auszüge aus meiner eintausend Seiten dicken Stasi-Akten öffentlich machen“, sagt Maik Förster. Er entlarvte alle Spitzel. Wer fragt, erfährt Namen. Die Zeit für den Teekeller war mit dem Ende der DDR abgelaufen, der christliche Verein konnte entstehen. Ohne Bespitzelung. Mit gleichem Engagement.